24.05.2024

Der Rollstuhl wird zum Sportgerät

Julian Wendel
Julian Wendel

Können Sie sich bitte kurz unseren Lesern vorstellen?
Mein Name ist Julian Wendel, ich bin Diplom-Psychologe aus Würzburg und lebe mit einer Spinalen Muskelatrophie. Im Laufe meines 39-jährigen Lebens habe ich gelernt, dass man auch mit Elektrorollstuhl, Beatmungsgerät etc. sehr engagiert und sehr aktiv sein kann – im Beruf, im Ehrenamt und natürlich auch in der Freizeit.

Was für eine sportliche Freizeitaktivität üben Sie aus und seit wann?
Grundsätzlich bin ich gerne unterwegs oder auf Reisen. Ich liebe das Gefühl, mich zu bewegen, auch wenn ich mich fast überhaupt nicht bewegen kann. :-) Aber meine große Leidenschaft ist seit 1989 Powerchair Hockey – das ist Hockey im Elektrorollstuhl und eine geniale Erfindung besonders für Menschen mit Muskelerkrankungen. Aber Achtung: Nicht an Eishockey denken, wir spielen auf einem normalen Hallenboden und mit Ball.

Wie sind Sie zu ihrem Sport gekommen? Wieso haben Sie ausgerechnet diese Sportart gewählt?
Ich war schon als Kind sehr sportbegeistert, nicht nur was das Spielerische, sondern auch was den sportlichen Wettkampf angeht. Besonders Mannschafts- und Ballsportarten reizen mich schon seit jeher. Powerchair Hockey bietet all das und ist durch die 15 km/h schnellen und sehr wendigen Sportrollstühle absolut dynamisch und facettenreich.

Machen Sie ihren Sport alleine, in einer Gruppe oder über einen Verein?
Im Grunde genommen handelt es sich um einen Breitensport, den man in einer offenen Gruppe, im Alltagsrollstuhl und als reine Freizeitbeschäftigung ausführen kann, egal ob mit oder ohne Verein im Hintergrund. Wenn man aber an Turnieren oder wie meine Mannschaft „Ballbusters Würzburg“ am zweitklassigen Ligabetrieb teilnehmen möchte, also auch leistungsorientiert Sport treiben möchte, muss man sich das Dach eines Sportvereins suchen. Und selbstverständlich gibt es auch Sportverbände (Deutscher Rollstuhl-Sportverband und Deutscher Behindertensportverband), die die Sportart koordinieren und sogar eine Nationalmannschaft aufstellen.

Brauchen Sie Hilfsmittel um die Einschränkungen durch Ihre neuromuskuläre Erkrankung auszugleichen? Oder ist das gar nicht notwendig?
Das Geniale ist, dass der Rollstuhl quasi den Status eines Hilfsmittels verliert. Er wird zum Sportgerät! Aber Hilfsmittel sind trotzdem notwendig oder hilfreich. Gurte und Stützen, eventuell Sondersteuerungen oder Schlägerfixierungen. Denn man kann den Schläger in der Hand halten oder an den Rollstuhl montieren.

Aber ist das dann nicht unfair, dass einige Spieler bessere körperliche Voraussetzungen haben als andere?
Wie in den meisten Behinderten-Sportarten wird das im offiziellen Wettkampf durch eine Klassifizierung ausgeglichen. Auf der Grundlage seiner körperlichen Voraussetzungen erhält man eine Punktzahl zwischen 0,5 und 5,0. Eine Mannschaft darf aber nur aus insgesamt zwölf Punkten bestehen. Dadurch ist gewährleistet, dass Spieler aus unterschiedlichen Klassen, also mit unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen, eingesetzt werden und ebenbürtige Gegner haben.

Was bedeutet der Sport für Sie?
Mittlerweile gehört er fest zu meinem Alltag, denn ich bin auch ehrenamtlich im Deutschen Rollstuhl- Sportverband als Fachbereichsleiter tätig. Er bereitet mir also durchaus auch Stress oder macht Sorgen. Aber trotz allem brennt noch immer ein Feuer in mir, wenn ich auf dem Feld stehe. Ich kann mich mit Anderen messen, ich bin in einer sozialen Gemeinschaft integriert und nicht zuletzt macht es einfach Spaß!

Haben Sie eine Idee, wie man eine für sich passende Sportart finden könnte?
Regelmäßig den Muskelreport lesen! Und wenn man dann noch immer nichts hat, dann kann man beispielsweise mich als Kontaktperson der DGM anschreiben oder sich anderweitig im Internet umsehen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Angebote (nicht nur Powerchair Hockey) und auch Sportvereine für Nicht-Behinderte öffnen sich immer mehr für Menschen mit Behinderung.

Ein sportliches Schlusswort
Werden Sie kreativ. Probieren Sie sich aus. Optimieren Sie beispielsweise Ihre Rollstuhlmanöver und versuchen Sie, einen Parcours immer schneller zu absolvieren. Oder nehmen Sie sich einfach mal einen Ball und experimentieren Sie mit ihm. Suchen Sie sich ein passendes Hilfsmittel. Bewegen Sie sich zur Musik. Es gibt unendliche Möglichkeiten, Sport zu treiben.